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Praxis der Selbstmotivierung


Wie man erreichen kann, was man sich vornimmt
Verlag W. Kohlhammer

Zum Thema Selbstmotivierung und Selbstmotivation gibt es eine Fülle von Büchern. Selten basieren diese allerdings auf wissenschaftlichen Erkenntnissen. Dieses Buch setzt die jüngeren Forschungsergebnisse, vor allem von Professor Dr. Julius Kuhl, sowie aktuelle Erkenntnisse der Hirnforschung in praktische Handlungsempfehlungen um. Anhand von 20 ganz konkreten Regeln und vielen Beispielen wird gezeigt, wie es uns gelingt, dauerhaft unseren 'inneren Schweinehund' zu besiegen und unser Leben nach unseren eigenen Vorstellungen zu gestalten. Das Praxisbuch ergänzt das erfolgreiche Grundlagenwerk 'Die Kunst der Selbstmotivierung' von Jens-Uwe Martens und Julius Kuhl.

Dr. Jens-Uwe Martens ist Lehrbeauftragter an der LMU München, Autor, Trainer und Coach. 1967 gründete er das Institut für Wissenschaftliche Lehrmethoden (IWL).

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikrofilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Die Wiedergabe von Warenbezeichnungen, Handelsnamen oder sonstigen Kennzeichen in diesem Buch berechtigt nicht zu der Annahme, dass diese von jedermann frei benutzt werden dürfen. Vielmehr kann es sich auch dann um eingetragene Warenzeichen oder sonstige geschützte Kennzeichen handeln, wenn sie nicht eigens als solche gekennzeichnet sind.

1. Auflage 2012

Alle Rechte vorbehalten

© 2012 W. Kohlhammer GmbH Stuttgart

Umschlagabbildung: © istockphoto.com/technotr

Umschlag: Gestaltungskonzept Peter Horlacher

Gesamtherstellung:

W. Kohlhammer Druckerei GmbH + Co. KG, Stuttgart

Printed in Germany

Print:

978-3-17-021887-1

E-Book-Formate

pdf: 978-3-17-022818-4

epub: 978-3-17-028212-4

mobi: 978-3-17-028213-1

Ich widme das Buch

meiner Frau, die mir immer wieder mit praktischen Beispielen demonstriert, wie man sich selbst motivieren kann und

Herrn Professor Julius Kuhl, von dem ich so viel für die Praxis lernen konnte.

Geleitwort

Eigentlich braucht das vorliegende Buch von Jens-Uwe Martens kein Geleitwort, denn Titel und Inhalt sprechen für sich: Es geht um praktische Ratschläge zum Thema Selbstmotivierung, speziell zur Frage: Wie kann man die eigene Fähigkeit verbessern, Ziele effektiver umzusetzen? Die von ihm und mir ebenfalls im Kohlhammer Verlag erschienene Kunst der Selbstmotivierung sollte ihren Lesern die enge Verbindung zwischen den wissenschaftlichen Fortschritten der Motivationspsychologie und ihrer Anwendung im beruflichen und privaten Alltag vermitteln. Eine für Laien verständliche Einführung in die wissenschaftlichen Fortschritte der Motivationspsychologie wurde von uns verfasst, um Leser in die Lage zu versetzen, die praktischen Anregungen reflektieren und sie den sich immer wieder verändernden Bedingungen des Alltags anpassen zu können.

Mit der Praxis der Selbstmotivierung sollen nun besonders diejenigen Leser angesprochen werden, die eine prägnante Zusammenfassung von motivationspsychologischen Tipps für die Alltagspraxis haben möchten, ohne sich motivationspsychologische Theorien und Erkenntnisse aneignen zu müssen. Das vorliegende Buch enthält viele solcher Tipps und stellt sie in Form von 20 Regeln dar, die teilweise unter direkter Bezugnahme auf die in unserem gemeinsamen Buch zugrundegelegte PSI-Theorie begründet sind. Jens-Uwe Martens schöpft dabei aus seiner reichhaltigen Berufs- und Lebenserfahrung und erläutert seine Regeln an vielen anschaulichen Beispielen aus der Praxis. Von den beiden großen Themen der Motivationspsychologie, dem Erreichen eigener Ziele und der Entwicklung eines integrations- und entscheidungsstarken Selbst, liegt in dem vorliegenden Buch der Schwerpunkt eindeutig auf dem erstgenannten Thema: dem Erreichen persönlicher Ziele. Das ist im Hinblick auf das Praxisthema des Buches konsequent: In der Praxis kommt es oft auf konkret fassbare Resultate an. Da ist das zweite Thema, das in der Kunst der Selbstmotivierung eine ebenso große Rolle spielt, die Selbstentwicklung, zunächst von zweitrangiger Bedeutung.

Konkrete Ergebnisse werden durch konkrete Ziele und ihre Realisierung erzielt. Und die funktioniert besser, wenn man dafür sorgt, dass die eigenen Ziele attraktiver, selbstbestimmter und persönlich bedeutsamer werden (Regeln 1–3), dass man sie sich möglichst konkret vorstellt, sie anderen mitteilt, ihre Vor- und Nachteile abwägt und auch zu überwindende Hindernisse und die zu deren Überwindung notwendige Energie bedenkt (Regeln 4–9). Wer dann noch flankierende Maßnahmen wie das Ausbilden geeigneter Gewohnheiten, motivierender Vorstellungen und Stimmungen einübt, Zwischenziele bildet, sich passende Vorbilder und soziale Unterstützung sucht, kann den Ausbruch aus der eigenen „Komfortzone“ mit der aus der PSI-Theorie bekannten und von Motivationspsychologen erfolgreich evaluierten „Pendeltechnik“ krönen (Regeln 10–20). Und wer meint, dass das alles dann vielleicht doch etwas technisch und trocken werden könnte, darf sich auf die zahlreichen Anekdoten und Beispiele freuen, die Jens-Uwe Martens erzählt, um die Anwendung der Regeln zu veranschaulichen.

Ich wünsche Ihnen viel Vergnügen bei dieser Einführung in die Praxis der Selbstmotivierung.

Osnabrück, im Juni 2011Julius Kuhl

Vorwort

Man kann das Leben erleiden oder es nach seinen eigenen Vorstellungen gestalten.

Dieses Zitat fand ich vor vielen Jahren auf einer Zuckertüte. Es fasst in einem Satz die Erfahrungen zusammen, die ich bei der Beobachtung und Beratung von Hunderten von erfolgreichen und erfolglosen Managern, Verkäufern und Menschen anderer Berufe gewonnen habe. Aber wie gestaltet man sei Leben nach seinen eigenen Vorstellungen? Das ist eine Kunst – und wie ich erfahren konnte: eine Wissenschaft zugleich. Es ist das Thema dieses Buches, denn wir können nur dann unser Leben nach den eigenen Vorstellungen gestalten, wenn wir in der Lage sind, uns für diese Vorstellungen ausreichend zu motivieren.

Dann – und nur dann – gewinnen wir die Kraft, auch mit Schwierigkeiten fertigzuwerden, die sich unseren Zielen unweigerlich und mit großer Sicherheit in den Weg stellen.

Sein Leben nach seinen eigenen Vorstellungen zu gestalten ist also ein Kunst und eine Wissenschaft. Was die Kunst betrifft, so habe ich übernommen und mit meinen eigenen Erfahrungen und meiner Intuition verglichen und ergänzt, was mir berühmte und weniger berühmte Menschen gezeigt haben. Es waren Menschen, denen ich persönlich begegnet bin, oder von denen und über die ich gelesen habe. Was die Wissenschaft betrifft, so habe ich in meinem Studium, aber auch während meines Lehrauftrages, von den Studentinnen und Studenten viel über das Phänomen der Gestaltung des eigenen Lebens gelernt. Besonders viel aber hat mir die Auseinandersetzung mit dem Psychologen Julius Kuhl gebracht, mit dem ich zusammen ein Buch über dieses Thema schreiben konnte: Die Kunst der Selbstmotivierung. Neue Erkenntnisse der Motivationsforschung praktisch nutzen.

Es ist eine sehr intensive Form des Lernens, gemeinsam mit einem der besten Wissenschaftler auf dem Gebiet, in dem man selbst arbeitet, ein Buch zu schreiben.

Das vorliegende Buch unterscheidet sich von Die Kunst der Selbstmotivierung darin, dass zwar die Wissenschaft den Hintergrund bildet, jedoch die konkrete Praxis, der Umgang mit den Tücken des Alltags, im Vordergrund steht. In dem vorliegenden Buch werden praktische Handlungsanweisungen gegeben, die ich in zwanzig, ganz konkreten „Regeln“ zusammengefasst habe. Es sind Einsichten, die sich vielfältig bewährt haben, aber freilich sind es nur Gedanken. Was Sie, liebe Leserin und lieber Leser, daraus machen, liegt in Ihrer Hand. Denn, wie Gottfried Keller einmal in Abwandlung eines Zitats aus dem Talmud sagte:

„Wer heute einen Gedanken sät, erntet morgen die Tat, übermorgen die Gewohnheit, danach den Charakter und endlich sein Schicksal.“

Ich kann Ihnen nicht versprechen, dass Sie Ihre Ziele erreichen, denn ich weiß nicht, ob sie für Sie erreichbar sind, aber ich kann Ihnen versprechen, dass Sie das, was Sie sich vorgenommen haben, tatsächlich tun, wenn Sie sich an die Empfehlungen dieses Buches halten. Sie werden mit den hier dargestellten Regeln den berühmten „inneren Schweinehund“ nicht nur besiegen, sie werden ihn zähmen, ja er wird Ihnen aus der Hand fressen.

Natürlich ist das oft nicht einfach und nicht ohne Mühe zu erreichen. Ob es sich lohnt, diese Mühe auf sich zu nehmen, hängt davon ab, welchen Wert für Sie das Ziel hat, das Sie sich gestellt haben. Wollen Sie gesünder leben, wollen Sie Ihren Körper in eine bessere Form bringen, wollen Sie sich auf ein Prüfung vorbereiten, wollen sie sich beruflich weiterentwickeln, wollen Sie ein sportliches Ziel erreichen, wollen Sie glücklich werden oder wollen Sie sich einfach nur beweisen, dass Sie Herr in Ihrem eigenen Haus sind, das man gemeinhin „Ihr Leben“ nennt?

München, Juli 2011

Jens-Uwe Martens

[email protected]

Einleitung

Eine der stärksten Charakteristika eines Genies besteht in der Kraft, sein eigenes Feuer anzuzünden.

JOHN FOSTER

Selbstmotivation in unserer Zeit

„Motivation ist das halbe Leben“, so höre ich meine Psychologenkollegen immer wieder sagen. Was können wir alles leisten, wenn wir nur richtig motiviert sind und wie schwer fällt uns alles, wenn wir keine Lust haben, wenn wir nur noch aus Pflichtgefühl arbeiten, oder einfach, um unangenehme Erfahrungen zu vermeiden. Aber woher kommt die Motivation? Wer motiviert uns?

Ein nicht gerade angenehmes Erlebnis veranlasste mich, intensiver darüber nachzudenken:

„Und wer motiviert mich?“

Vor vielen Jahren kam ich an einem Freitag, am späten Nachmittag, von einem Seminar in mein Büro zurück. Damals gab es noch häufiger Seminare, die eine ganze Woche dauerten. Ich hatte das Seminar allein geleitet und obwohl es mir wie immer viel Spaß gemacht hatte, merkte ich auf dem Nachhauseweg, dass es doch sehr anstrengend gewesen war. „Wie lange willst du das eigentlich noch durchhalten?“, fragte ich mich, während ich das Büro meiner Sekretärin betrat. Außer meiner Sekretärin war niemand mehr da, alle anderen Mitarbeiter hatten ihren Arbeitsplatz schon für den wohlverdienten Feierabend verlassen. So musste ich die vielen Geräte und all meine Mappen, die ich zum Seminar mitgenommen hatte, selbst ins Büro schleppen. Auf die Idee, dass mir meine Sekretärin helfen könnte, kam ich nicht. Ich bin noch so erzogen, dass man einer Dame keine schwere körperliche Arbeit aufbürdet.

Nachdem ich mich meines vielen Gepäcks entledigt hatte, begrüßte sie mich – wie ich empfand – mit einem rüden Vorwurf: „Sie machen Fehler über Fehler!“

Ich war einigermaßen verdutzt. Ich weiß, ich bin nicht unfehlbar, aber mein Seminar lief eigentlich sehr gut. Ich hatte erwartet, dass sie mich fragte, wie es gelaufen war, oder mir sogar ein paar Worte der Anerkennung gönnte, denn schließlich verdiente ich mit meinen Anstrengungen auch ihr Gehalt. Ich ließ mich also erst einmal auf einen Stuhl fallen und fragte sie dann verwundert: „Wie kommen Sie denn darauf?“

„Ich schreibe da gerade den Aufsatz ‚Motivation und Führung‘, den sie mir gegeben haben.“ (Damals – ohne Computer – diktierte ich meine Aufsätze noch.) „In dem Aufsatz schreiben Sie über die Bedeutung der Motivation und ich habe festgestellt, dass Sie mich schon lange nicht mehr motiviert haben“, erläuterte sie mir ihren Vorwurf näher.

Ich war müde und hatte keine Lust auf eine Diskussion, oder darauf, meine Position als Chef zu dokumentieren. Ich hatte während des Seminars genug Gelegenheit zu Diskussionen. Ich tat etwas, was meine Sekretärin eigentlich nicht von mir gewohnt war. Ich sagte einfach: „Und wer motiviert mich?“ und verließ ihr Zimmer.

Und wer motiviert Sie?

Wenn Sie darauf angewiesen sind, dass Ihr Chef – oder Ihre Mitarbeiter, oder Ihr Partner/Ihre Partnerin – Sie immer wieder motivieren, werden Sie häufig erleben, dass Ihnen Ihre Arbeit schwerfällt, dass Sie sich zwingen müssen, die Ihnen gestellten Aufgaben zu erledigen. In einer solchen Situation – so haben Untersuchungen immer wieder gezeigt – leisten wir deutlich weniger, haben kaum noch kreative Ideen bezüglich unserer Arbeit, und wir erleben den negativen Stress mit all seinen gefährlichen Nebenwirkungen.

In den letzten Jahren wird immer deutlicher, dass auf Motivation nicht viel Wert gelegt wird. Einen Manager eines großen Versicherungskonzerns hörte ich vor wenigen Wochen einmal sagen: „Die Mitarbeiter bekommen doch ihr Gehalt, wozu muss ich mir da auch noch Gedanken machen, wie man sie motiviert?“ Wenn wir die Fähigkeit entwickelt haben, uns selbst zu motivieren, auch in Arbeits- oder Lebenssituationen, in denen es uns nicht leicht gemacht wird, dann sind wir gleichsam autark, wir machen unsere Arbeit oder das, was wir uns vorgenommen haben, mit Freude und stecken dabei vielleicht sogar noch unsere Kollegen an.

Selbstmotivierung als Voraussetzung für eine gelungene Weiterbildung

Unsere Ausbildungssysteme vergessen die Motivation zum Weiterlernen.

PAUL F. RÖTTIG

Die Veränderungen in der Arbeitswelt führen dazu, dass man heute nicht mehr sein Leben lang in dem einmal gewählten Wunschberuf und in dem vertrauten Unternehmen arbeitet. In dieser vertrauten Arbeitsumgebung motivieren sich die Kolleginnen und Kollegen (häufig ohne es bewusst zu wollen) gegenseitig, sie bilden ein Team, das man jeden Tag gern sieht. Die immer schneller auftauchenden und gravierenden Veränderungen in der Arbeitswelt führen dazu, dass man sich auf häufige Veränderungen einstellen muss. Immer wieder muss man mit neuen Kollegen zusammenarbeiten, die aus rein funktionalen Gesichtspunkten zusammengestellt wurden.

Flexibilität und Veränderungsbereitschaft sind heute wichtige Eigenschaften, die immer wieder in Stellengesuchen beschrieben werden. Wir müssen ein Leben lang für neue Entwicklungen offen bleiben und uns immer wieder neuen Lernaufgaben stellen. Sich selbst für diese Veränderungen und für die Lernaufgaben zu motivieren, die sich daraus ergeben, gehört heute zu den Basiskompetenzen, ohne die man sich ein erfülltes und erfolgreiches Berufsleben kaum vorstellen kann. Von anderen – sei es der Chef, der Mitarbeiter oder die Kollegen – motiviert zu werden, gehört zu den Glücksfällen, aber eben auch zu den eher seltenen Ausnahmen. Wir müssen die Fähigkeit besitzen, uns selbst zu motivieren.

Wenn Sie sich selbst motivieren können, dann ist auch die heute geforderte lebenslange (oder besser: lebensbegleitende) Weiterbildung keine lästige Pflicht mehr, sondern sie wird zu Recht als ein selbstgesteuerter, kontinuierlicher Lern- und Entwicklungsprozess verstanden, der das Leben interessanter macht.

Dieser Prozess wird nicht von irgendeiner Institution – sei es der Arbeitgeber, das Arbeitsamt oder eine andere öffentliche Stelle – gefordert und gesteuert, sondern muss als willkommene Herausforderung begriffen werden. Die Fähigkeit zur Selbstmotivierung ist eine der wichtigsten Voraussetzungen, einen als richtig erkannten Lebensweg konsequent und eigeninitiativ zu gehen und dabei seine Fähigkeiten optimal einzusetzen.

Heute kommt niemand, der eine optimale berufliche Entwicklung nehmen will, um eine kontinuierliche Weiterbildung herum, bei der Eigenverantwortung beim Lernen und bei der beruflichen Kompetenzentwicklung im Mittelpunkt steht. Die vielen technischen und organisatorischen Veränderungen zwingen uns, immer neue Fähigkeiten zu erwerben. Wenn wir das aus einem gefühlten Zwang heraus absolvieren, dann wird der Erfolg deutlich geringer sein, als wenn wir das mit der Einstellung tun, dass wir uns gern den neuen Herausforderungen stellen. Nur so können wir ein selbstbestimmtes, proaktives und erfolgreiches Weiterbildungsverhalten entwickeln.

Motivation und damit Selbstmotivierung hat auch einen sehr großen Einfluss auf den Lernerfolg. Vor allem der Lerntransfer, also die Übertragung des gelernten Wissens in die Praxis, ist deutlich größer, wenn man motiviert lernt. In Untersuchungen wurde immer wieder bestätigt, dass der Einfluss der Motivation auf die Anwendbarkeit des neu erworbenen Wissens besonders groß ist, größer als die kognitiven Fähigkeiten, die das Lernen erleichtern und den Lernerfolg verbessern.

Selbstmotivation als Bedingung für ein geglücktes Leben?

Unter Selbstmotivierung (oft auch Selbstmotivation) wird die Fähigkeit verstanden, sich aus eigenem Antrieb und ohne Ermutigung oder gar Zwang von außen, Ziele zu setzen, und diese konsequent, langfristig und mit Freude zu verfolgen.

Selbstmotivierung hat also zwei Zielrichtungen: Zum einen ist sie eine Voraussetzung dafür, dass wir unser Leben und uns selbst gestalten, dass wir Ziele, die wir uns vorgenommen haben, optimal erreichen. Zum anderen ist es eine Fähigkeit, mit der es uns gelingt, von andern gestellte Aufgaben, die wir erfüllen müssen, um übergeordnete Ziele zu erreichen, mit mehr Freude und in der Folge mit größerem Erfolg erfüllen. Wenn wir die Kunst der Selbstmotivierung erlernt haben, werden wir auch leichter mit Rückschlägen und Schwierigkeiten fertig, weil wir in dem Bewusstsein leben, dass wir zwar aufgehalten werden können, aber langfristig unser Ziel erreichen werden.

Das Verfolgen und Erreichen von selbst gesetzten Zielen hat zwei unterscheidbare Auswirkungen auf das Leben: Es führt uns (wenn das Schicksal gnädig ist) zu Ergebnissen, zu Situationen, die wir selbst ausgewählt haben und an denen wir (wenn überhaupt) nur wenig auszusetzen haben. Aber vielleicht ist die zweite Auswirkung noch wichtiger. Einstein hat einmal gesagt: „Wenn du ein glückliches Leben willst, verbinde es mit einem Ziel …!“ Und der Philosoph Ralph Waldo Emerson erkannte: „Die Welt gehört dem, der in ihr mit Heiterkeit und zu hohen Zielen wandert“. Ziele, für die wir uns motiviert haben und zu denen wir daher „mit Heiterkeit“ wandern, stellen sicher eine Grundbedingung für ein erfülltes, gelungenes und glückliches Leben dar.

Natürlich beeinflussen sich die beiden hier unterschiedenen Auswirklungen gegenseitig: Wenn wir unseren Weg mit positiven Gefühlen gehen, werden wir mit größerer Wahrscheinlichkeit Ziele erreichen, die uns zufrieden machen, und wenn wir zufrieden sind, werden wir eher mit positiven Gefühlen unseren Lebensweg gehen.

Können wir uns überhaupt selbst beeinflussen?

Dieses Buch geht von der Grundannahme aus, dass wir uns selbst an die Hand nehmen können, dass wir uns selbst beeinflussen können. Ist das überhaupt möglich? Viele Personen um uns herum erwähnen immer wieder, dass sie nicht dafür verantwortlich sind, wenn es Schwierigkeiten gibt oder ihnen etwas misslungen ist, weil sie „einfach so sind“, und dass sie sich selbst und ihre Umwelt damit abfinden müssen. Es ist sicher unbestritten, dass wir alle mit bestimmten, erblich durch unsere Gene fixierten Eigenschaften, die wir selbst nicht verändern können, auf die Welt gekommen sind. Dazu zählen vor allem unsere Begabungen, die in die eine oder andere Richtung ausgeprägt sind. Sicher gehören dazu auch viele körperliche Merkmale wie Körpergröße, Körperbau etc.

Auf der anderen Seite wird der Lauf unseres Lebens weniger von diesen angeborenen Eigenschaften bestimmt, als vielmehr von den Wertungen, mit denen wir unsere Umwelt wahrnehmen, von den täglichen Hunderten von kleinen Entscheidungen, die uns oft gar nicht bewusst werden: was wir ablehnen, was wir bevorzugen, wofür wir uns interessieren, wofür wir unsere Energie einsetzen, womit wir uns Tag für Tag beschäftigen usw.

Die Skeptiker werden an dieser Stelle einwenden, dass auch das nicht in unserer Hand liegt, dass wir uns z. B. nur damit beschäftigen können, was an uns herangetragen wird. Wer nie klassische Musik gehört hat, der wird sich nicht für klassische Musik interessieren, wer nie in Südafrika war, wird meine Begeisterung für die Natur und die Menschen dieses Landes nicht nachvollziehen können. Andererseits werden wir heute in der Presse und im Fernsehen mit so vielen Themen konfrontiert, dass wir den Eindruck gewinnen können, es gäbe kaum etwas auf dieser Welt, mit dem wir nicht irgendwann in Kontakt gekommen sind – was natürlich eine „optische Täuschung“, ein Irrtum der Wahrnehmung ist.

Das Problem liegt also nicht darin, dass wir zu wenige Eindrücke haben und uns das Leben nicht zeigt, wofür es sich lohnt, sich einzusetzen. Es gibt vieles, mit dem wir konfrontiert werden, was wir auch hoch einschätzen, nach dem wir unser Leben gern ausrichten wollen. Es gelingt uns nur häufig nicht. Wir wollen z. B. gesünder leben, wir wollen mehr für unsere Freunde tun, weil wir erkannt haben, wie wichtig Freunde im Leben sind, wir wollen uns weniger aufregen, wir wollen uns von der Arbeit nicht auffressen lassen usw. In solchen Fällen müssen wir bewusste Entscheidungen treffen und unser Handeln nach diesen Entscheidungen ausrichten. Was aber so einfach klingt, zeigt sich in der Praxis als durchaus schwer durchführbar. Wie oft haben wir uns schon – vor allem am 1. Januar – vorgenommen, etwas in unserem Leben zu ändern, und stellen nach Wochen fest: Es ist alles beim Alten geblieben. Albert Einstein sagte:

„Die reinste Form des Wahnsinns ist es, alles beim Alten zu lassen und gleichzeitig zu hoffen, dass sich etwas (für einen) ändert“.

Können wir uns also nicht ändern? Viele Beispiele zeigen uns das Gegenteil: Es gibt Menschen, die konnten sich oder ihr Leben ändern. Wir gehen in diesem Buch davon aus, dass die Menschen, die das geschafft haben, einfachen Regeln gefolgt sind und daher erfolgreich waren. Diese Regeln sollen hier dargestellt werden.

Ob wir uns selbst beeinflussen können, ob wir also Willensfreiheit besitzen, ist eine philosophische Frage, auf die es bis heute unterschiedliche Antworten gibt. Es ist nicht das Thema dieses Buches, auf die philosophischen Aspekte der Willensfreiheit näher einzugehen. Ich möchte nicht für Sie entscheiden, welche Auffassung die richtige ist. Eines allerdings ist unbestritten: Die Überzeugung, dass wir Willensfreiheit besitzen und uns daher selbst an die Hand nehmen und beeinflussen können, ist die Auffassung, die uns unser Leben leichter und besser ertragen lässt – ob es nun eine Utopie ist, oder nicht.

Wir gehen also davon aus, dass es so etwas wie eine Freiheit des Willens gibt, dass wir uns sogar bis zu einem gewissen Grad selbst beeinflussen, also verändern können. Der ausschlaggebende Punkt ist, dass wir entscheiden können, worauf wir unsere Aufmerksamkeit lenken. So wie wir entscheiden können, ob wir in unser Buch oder zur Nachbarin hinübersehen, können wir auch entscheiden, ob wir den Focus unserer Aufmerksamkeit auf diese oder jene Regung in uns lenken. Bei der Erläuterung der Regeln werden Ihnen häufiger Formulierungen begegnen wie: „Sie könnten sich bewusstmachen …“, oder „Sie sollten die Vorstellung aktivieren …“ und Ähnliches. Jedes Mal ist damit gemeint, dass Sie Ihre Aufmerksamkeit auf einen bestimmten Aspekt Ihres Bewusstseins richten. Das ist sicher nur eine Kleinigkeit, die aber große Konsequenzen haben kann.

Die Fähigkeit des Menschen zur Reflexion

Wofür wir uns motivieren wollen, wie sehr und wie oft wir uns motivieren, hat wesentlich damit zu tun, welches Leben wir führen und welchem Persönlichkeitstyp wir angehören. Der Mensch hat als einziges Lebewesen auf diesem Planeten die Fähigkeit, sich neben sich selbst zu stellen, sich und sein Leben zu betrachten und damit auch zu beurteilen und darüber zu entscheiden, welches Leben er führen will. Wir Menschen sind prinzipiell in der Lage, Entscheidungen zu treffen, die unser Leben beeinflussen. Wir können uns bis zu einem gewissen Grad dahin führen, wohin wir in diesem Leben gehen wollen. Die Psychologie spricht in diesem Zusammenhang von „Selbstwirksamkeit“. Damit ist die Fähigkeit gemeint, darauf zu vertrauen und davon auszugehen, dass ein bestimmtes Ziel auch durch Überwindung von Hindernissen am Ende tatsächlich von uns erreicht werden kann. Dabei spielt die Fähigkeit, sich selbst zu motivieren eine entscheidende Rolle, sie ist die Grundlage der Selbstwirksamkeit. Das Ausmaß der Selbstwirksamkeit, das wir in unserem Leben zeigen, ist – nach allem, was wir heute darüber wissen – nicht angeboren. Selbstwirksamkeit wird erworben, und wir selbst können beeinflussen, in welchem Umfang wir uns diese Fähigkeit aneignen.

Die Basis der Selbstmotivierung: Die PSI-Theorie von Kuhl

Die folgenden 20 Regeln, mit deren Hilfe man sich selbst motivieren kann, beruhen auf zwei Quellen: Die eine ist meine erlebte Praxis (die Beobachtungen meines eigenen Lebens und das vieler Menschen, die ich beraten oder die ich geschult habe). Die andere Quelle ist die Theorie von Julius Kuhl , er nennt sie PSI-Theorie (Persönlichkeit-System-Interaktion). Ich fasse im Folgenden einige seiner theoretischen Überlegungen zusammen, weil die PSI-Theorie von Kuhl die wissenschaftliche Basis der folgenden Regeln liefert. Wenn Sie sich dafür nicht interessieren, dann können Sie die folgenden Ausführungen überspringen oder nur überfliegen. Sie werden die Regeln auch ohne die Theorie verstehen. Wenn Sie sich näher für die PSI-Theorie interessieren, empfehle ich Ihnen das schon erwähnte Buch Die Kunst der Selbstmotivierung, das ich gemeinsam mit Kuhl geschrieben habe, oder – wenn Sie gründlich in die Persönlichkeitstheorie von Kuhl einsteigen wollen – das umfangreiche Werk von Julius Kuhl Motivation und Persönlichkeit (2001).

Kuhl unterscheidet aufgrund seiner Experimente und theoretischen Überlegungen vier „Makrosysteme“ unseres Gehirns, deren Zusammenspiel unsere Persönlichkeit, aber auch das Zustandekommen von Handlungen ausmachen.

Diese vier Makrosysteme, die bei der Entstehung einer Handlung eine Rolle spielen, sind nach Kuhl folgende:

1. Das Intentionsgedächtnis , häufig nennt Kuhl es auch Absichtsgedächtnis, das man braucht, wenn man eine schwierige oder unangenehme Handlung nicht sofort ausführen kann, aber nicht vergessen darf oder nicht vergessen möchte. „Das Intentionsgedächtnis ist mit dem analytischen Denken eng vernetzt und speichert schwierige Absichten, d. h. allgemeine (noch nicht voll spezifizierte) Handlungsvorhaben, in einem expliziten Format. Es ist vom Erleben und von der Steuerung emotionaler Prozesse weitgehend abgekoppelt und wird durch eine Aufmerksamkeitsform unterstützt, die Informationen verstärkt, die möglichst genau zu dem passen, was für das aktuell bewusste Ziel oder den aktuellen Handlungsplan relevant ist“ (Kuhl, 2001, S. 131). In diesem Absichtsgedächtnis werden also die Ziele gespeichert, für die wir uns motivieren wollen.

2. Das Ausführungssystem, das dem Überlegen und Abwägen ein Ende macht und spontan verfügbare Handlungsprogramme zur Verfügung stellt. Kuhl nennt es auch das „intuitive Verhaltenssteuerungsprogramm“. Es arbeitet ganzheitlich (holistisch). Man braucht es, wenn ein guter Zeitpunkt für die Ausführung gekommen ist und man ein geeignetes Verhaltensprogramm (d. h. eine Handlungsmöglichkeit) gefunden hat. Dieses Ausführungssystem wird auch aktiviert, wenn aufgrund einer Wahrnehmung spontane, nicht bewusst geplante Handlungen erfolgen. Dieses Ausführungssystem hält also die Programme bereit, die wir für die Realisierung unserer Ziele brauchen, für die wir uns motivieren.

3. Das Extensionsgedächtnis, das den umfassendsten Gedächtnisspeicher darstellt. Kuhl nennt es „Extensions-Gedächtnis“, weil der Speicher, auf den sich dieses Gedächtnis bezieht, sehr ausgedehnt ist (Extension = Ausdehnung). Diesen Speicher braucht man, wenn es darum geht, aus der Gesamtheit aller gespeicherten Lebenserfahrungen eine Lösung auszuwählen und man gleichzeitig darauf achten muss, dass alle – oder möglichst viele – eigene Bedürfnisse und Werte berücksichtigt werden – und nach Möglichkeit auch die Erwartungen und Wünsche anderer nicht unberücksichtigt bleiben. Auch dieses System arbeitet – wie das vorhergehende Ausführungssystem – ganzheitlich und vor allem parallel, d. h. es kann mehrere Aspekte gleichzeitig berücksichtigen. Es liefert einen zusammenfassenden Überblick über die wichtigsten Erfahrungen, die wir gemacht haben, wobei auch unsere Motive und das Bewusstsein von uns selbst, das „integrierte Selbst“ dazu gehören. Dieses Extensionsgedächtnis ist Grundlage unseres „intelligenten Fühlens“, unserer Intuition („ich spüre, hier stimmt etwas nicht“). „Das Fühlen kann durch assoziative Netzwerke impliziten Wissens beschrieben werden, die auch sehr entfernte, selten auftretende Assoziationen enthalten“ (Kuhl & Völker, 1998, S. 215).

Dieses Extensionsgedächtnis verhilft uns, dass die Ziele, für die wir uns motivieren wollen, tatsächlich unseren eigenen Bedürfnissen und Werten entsprechen, dass es wirklich „unsere eigenen Ziele“ sind, und es unterstützt uns dabei, auf kreative Ideen zu kommen, indem es unsere Ziele mit den bereits gemachten relevanten Erfahrungen in Verbindung bringt.

4. Das Objekterkennungssystem, das man braucht, „wenn einzelne Risiko- und Gefahrenquellen aus dem Gesamtkontext herausgelöst oder Fehler und Problempunkte erkannt werden müssen“ (Martens & Kuhl, 2011, S. 77). Es arbeitet nicht ganzheitlich, sondern ist sequentiell-analytisch angeordnet. Das Objekterkennungssystem brauchen wir, um beim Erreichen der selbst gesetzten Ziele möglichst frühzeitig Probleme und Fehler zu entdecken, die das Erreichen des Zieles infrage stellen oder verhindern könnten.

Man hat entdeckt, dass unsere beiden Hirnhälften unterschiedlich arbeiten. Mit unserem „linken Hirn“ erledigen wir alle bewusst planerischen Aufgaben, mit ihm „rechnen“ wir uns aus, was sich ereignen wird. Mit unserem „rechten Hirn“ fühlen wir, was passieren sollte und was passieren wird. Hier ist die Intuition beheimatet. Auch Kuhl übernimmt diese Entdeckung und ordnet das Intentionsgedächtnis und das Objekterkennungssystem dem „linken Hirn“ zu, während er das Ausführungssystem und das Extensionsgedächtnis im „rechten Hirn“ beheimatet sieht.

Die Aktivierung dieser Systeme sowie die Interaktion der Systeme untereinander werden durch unsere Affekte, unsere Gefühlszustände und Stimmungen gesteuert. Mit Hilfe von Experimenten und den daraus abgeleiteten Erkenntnissen entdeckte Kuhl, dass wir z. B. nur in einer positiven Stimmung Zugang zu unserem Extensionsgedächtnis haben und damit zu unserem Erfahrungsreservoir, in dem die Erkenntnisse unseres ganzen bisherigen Lebens gespeichert sind. Diese Erkenntnisse brauchen wir gerade dann, wenn wir in Schwierigkeiten geraten und wir durch eben diese Schwierigkeiten in keiner guten Stimmung sind. Darin liegt auch die Begründung, dass wir nur dann auf gute Ideen kommen und erfolgreich sind, wenn wir uns gut fühlen und wir zufrieden und glücklich sind. Denn wie Albert Schweitzer sagt: „Erfolg ist nicht der Schlüssel zum Glücklichsein. Glücklichsein ist der Schlüssel zum Erfolg. Wenn du das, was du tust liebst, wirst du erfolgreich sein“. Wir müssen also lernen, unseren „Gefühlshaushalt“ zu beeinflussen.

Andererseits kommen wir in gute Stimmung, wenn wir das Extensionsgedächtnis und damit unser Selbst aktivieren. Das gelingt uns besonders gut, wenn die gesetzten Ziele tatsächlich Teil unseres Selbst sind, wenn sie „aus unserem tiefen Inneren“ stammen. Man spricht in diesem Zusammenhang von intrinsischen (aus einem selbst kommenden) gegenüber extrinsischen (von anderen auferlegten) Zielen. „Lebensfreude stärkt die Schaffenskraft. Und Schaffenskraft erhöht die Lebensfreude“, sagte Else Pannek. Die Beziehung zwischen den Gefühlen und der Aktivierung der einzelnen Systeme ist also wechselseitig. Viele der im Folgenden dargestellten Regeln haben mit dieser Beziehung zu tun.

Das Rubikon-Modell

Wenn man die einzelnen Phasen untersucht, die einer Handlung zugrunde liegen, dann kann man zwei grundsätzlich unterschiedliche Zeitpunkte beobachten: In einer ersten Phase des Abwägens, bevor man endgültig zu einer Entscheidung kommt, ist man nach allen Seiten offen und sucht nach Informationen, wobei diese ohne Selektion aufgenommen werden. Ist dann eine Entscheidung getroffen, kann man eine Abschirmung gegen Informationen beobachten, die diese Entscheidung infrage stellen könnte. Durch die selektive Nichtbeachtung und Abwertung absichtsgefährdender Informationen wird die einmal getroffene Entscheidung stabilisiert.[1]

Diese imaginäre Grenze zwischen Informationssuche und Entscheidung hat man als Rubikon bezeichnet und die Theorie, die sich darauf beruft, als Rubikon-Theorie genannt, in Anlehnung an den Angriff Cäsars auf Rom zu Zeiten des Bürgerkrieges: Als er mit seinem Heer den Fluss Rubikon überschritten hatte, gab es kein Zurück mehr, das war allen Soldaten klar: „Alea iacta est“ „Der Würfel ist gefallen.“ Die unterschiedliche Bewusstseinslage vor und nach dem Überschreiten des Rubikon stand im Mittelpunkt des Interesses an diesem Modell.[2] Es ließ sich zeigen, dass vor der Entscheidung mehr entscheidungsrelevante Informationen beachtet werden, während nach der Entscheidung mehr umsetzungsrelevante Informationen im Mittelpunkt des Bewusstseins standen.[3]

Das Rubikon-Modell der Handlungsphasen von Heinz Heckhausen teilt den Handlungsstrom in folgende vier Phasen ein:

1. Abwägen

2. Entscheidung (Planen)

3. Zielverfolgung (Handeln)

4. Abschluss (Bewerten)

Die folgenden Regeln der Selbstmotivierung werde ich nach diesen vier Phasen gliedern.

Die vier Phasen der Entstehung einer Handlung

Der Weg von der Wahl eines Handlungsziels bis zur Zielrealisation,[4] bzw. der Prozess, der zu einer Leistung, bzw. zu einer Veränderung des eigenen Verhaltens führt, wird in vier Phasen aufgeteilt:

1. Phase des Abwägens:

Die potentiellen Ziele werden abgewogen, es werden verschiedene Handlungsziele und Ausführungsmöglichkeiten gegenübergestellt und daraus Vorstellungen abgeleitet, was alles erreichbar wäre und mit welchen Konsequenzen man zu rechnen hätte, wenn man sich entschließen sollte, eines dieser möglichen Ziele „ernsthaft zu verfolgen“.

2. Phase der Entscheidung:

Es wird die Absicht gebildet, das ausgewählte Ziel tatsächlich zu verfolgen.

Man bindet sich an das Ziel und verpflichtet sich zur Zielverfolgung.

Hier entsteht die wichtige Zielbindung („goal commitment“[5] ). Unter Zielbindung versteht man das Ausmaß, in dem eine Person sich einem Ziel verpflichtet fühlt, es unter Aufwendung von Anstrengung tatsächlich auch erreichen will und die Zielverfolgung selbst angesichts von Rückschlägen und Widerständen nicht aufgibt. Heckhausen[6] geht davon aus, dass stets mehrere Ziele in uns in Konkurrenz stehen und dass jenes Ziel ausgeführt wird, das in uns die größte Stärke entwickelt: Diese hängt von der Attraktivität des Ziels, dem Vorhandensein einer günstigen Gelegenheit, der Dringlichkeit des Ziels und der Anzahl der bereits missglückten Realisierungsversuche ab.

3. Phase der Zielverfolgung:

Abhängig von der Situation und den konkurrierenden Zielen muss irgendwann mit einer zielbezogenen Handlung begonnen werden. (Die Bedeutung des ersten Schrittes! „Auch ein Weg von 1000 Meilen beginnt mit einem Schritt“, sagt ein chinesisches Sprichwort.)

Wichtig ist jetzt die Aufrechterhaltung der einmal festgelegten persönlichen Ziele. Hier spielt die Ausdauer eine große Rolle: Hält man lang genug durch, um das gesetzte Ziel zu erreichen?

Hilfreich sind dabei (nach Kuhl, 1996):

– Motivationskontrolle: Fokussieren auf attraktive Anreizmomente (s. Regel 13).

– Aufmerksamkeitskontrolle: Die Aufmerksamkeit wird auf Zielrelevantes gelenkt (s. Regel 11).

– Enkodierungskontrolle: Elementare Wahrnehmungsfunktionen filtern gezielt solche Informationen aus, die der Handlungsausführung dienlich sind (s. Regel 14, 15).

– Misserfolgskontrolle: Emotionale Folgen zwischenzeitlicher Rückschläge werden zur Nachregulierung der Ressourceninvestitionen oder zur Wahl alternativer Ausführungsstrategien genutzt (s. Regel 16).

4. Phase des Abschlusses der Handlung:

War das Zielstreben erfolgreich? Habe ich das erreicht, was ich erreichen wollte? Haben sich Nebeneffekte positiver oder negativer Art ergeben? Was lerne ich für die Zukunft?

In der Phase des Abschlusses der Handlung geben wir uns selbst Feedback.

Dieses Feedback ist immer werthaltig, hat immer ein positives oder negatives Vorzeichen – und oft können wir wählen, ob wir dem Feedback ein positives oder negatives Vorzeichen geben, denn fast immer gibt es positive und negative Auswirkungen unserer Entscheidungen und Handlungen. Es gibt Personen, die scheinen auf eine negative Bewertung programmiert zu sein. Sie sind nie zufrieden, mit dem was sie erreicht haben, möglicherweise, weil sie eine überkritische Bezugsperson aus früher Kindheit internalisiert haben oder weil sie einer Kritik von außen zuvorkommen wollen. Denn die ist viel weniger verletzend, wenn man selbst sich bereits vorher deshalb getadelt hat.

Andererseits ist es nicht folgenlos, wenn wir mit unseren Handlungen oder dem Verhalten, das sich aus einem Entschluss ergeben hat, nicht zufrieden sind. Wir machen uns damit selbst klein, wir machen uns zum Opfer. Das wird die Motivation für weitere Handlungen eher negativ beeinflussen.

Die Regeln zur Selbstmotivierung im Überblick

Das Thema Motivation bezieht sich auf alle vier Phasen. Wir gliedern daher die zwanzig Regeln zur Selbstmotivierung nach den vier Phasen des Rubikon-Modells von Heckhausen:

Zu 1. Phase des Abwägens:

In dieser Phase geht es darum, ein attraktives Ziel zu finden, das man über längere Zeit verfolgt. Solange noch kein Ziel vor Augen steht, ist Motivierung noch kein Thema. Das Thema dieses Buches betrifft in dieser Phase höchstens die Wahl (Wie ist das Ziel beschaffen?) oder die Ausstattung eines schon vorhandenen Zieles (Welche Attribute hat das Ziel?). Bei der Gliederung der dargestellten Regeln beziehe ich mich auf diesen zweiten Aspekt.

1. Das Ziel attraktiv machen

2. Aktivieren intrinsischer Bedürfnisse

3. Persönliche Ziele

4. Ziele visualisieren

Zu 2. Phase der Entscheidung:

In dieser Phase verpflichten wir uns gegenüber uns selbst endgültig, ein Ziel zu verfolgen.

5. Ziele öffentlich machen

6. Argumente sammeln

7. Vor- und Nachteile abwägen

8. Reframing

Zu 3. Phase der Zielverfolgung:

In dieser Phase der Umsetzung geht es darum, auf dem Weg zum Ziel sich selbst auch über Schwierigkeiten hinweg mit positiver Energie auf Kurs zu halten.

Zu 3.1 Auf die eigene Person achten:

9. Energielevel hochhalten

10. Selbstmotivierung durch Handeln (erster Schritt)

11. Aufmerksamkeitskontrolle

12. Gewohnheiten aufbauen

13. Gefühle ansprechen (das Ziel und den Weg zum Ziel mit positiven Gefühlen verbinden)

14. Positive Erfahrungen machen (sich belohnen)

15. Pendeln

16. Die eigene Angst nutzen

Zu 3.2 Auf das Umfeld achten:

17. Den Einfluss der Gruppe beachten

18. Vorbilder und passende Bezugspersonen suchen

19. Konsum von Massenmedien beachten

Zu 4. Phase des Abschlusses der Handlung:

Eine der wichtigsten Regeln für die Selbstmotivierung ist die letzte, die wir hier behandeln. Wie gehen wir mit uns selbst nach Abschluss der Handlung um? Das hat wichtige Folgen für die Persönlichkeit. Andererseits kann nur eine starke Persönlichkeit sich selbst motivieren:

20. Das eigene Selbst, seine Persönlichkeit stärken

Die Abgrenzung der einzelnen Regeln gegeneinander

Die Aufgabe, sich selbst zu motivieren, wird in diesem Buch in 20 unterscheidbare Regeln aufgeschlüsselt. In der Praxis ist die Anwendung dieser Regeln nicht genau trennbar. Wenn man beispielsweise seinem Freund voller Begeisterung erzählt, dass man eine Methode entdeckt hat, mit der man phantastisch abnehmen kann und die gleichzeitig viele gesundheitliche Vorteile mit sich bringt, dann motiviert man sich selbst diese Diät einzuhalten, indem man zwei Regeln gleichzeitig anwendet. Man offenbart sich seinem Freund gegenüber und erschwert damit, mit der Diät wieder aufzuhören, weil man dann dem Freund gegenüber nicht gut dasteht. Und man führt sich gleichzeitig noch einmal die Argumente vor Augen, die für die Diät sprechen. Beide Aspekte sind in der Praxis nicht trennbar. Wenn ich mich allerdings bewusst motivieren will, dann ist es sinnvoll, diese Aspekte getrennt zu betrachten. Nur dann kann ich sicherstellen, dass keine der Regeln vernachlässigt wird.

Diese in der Praxis notwendige Vermischung der einzelnen Regeln der Selbstmotivierung, wie sie in dem obigen Beispiel deutlich wurde, finden sich immer wieder. Deutlich wird das z. B. auch bei der Regel 2 „Aktivieren intrinsischer Bedürfnisse“ und der Regel 3 „Persönliche Ziele“. Persönliche Ziele entsprechen fast immer intrinsischen Bedürfnissen. Das Ziel der Darstellung ist es, jeden Aspekt getrennt auszuführen, um so zuletzt in einer Checkliste prüfen zu können, ob man auf alle Punkte bei der Selbstmotivierung geachtet hat.

Ist Disziplin erlernbar?

Disziplin ist der wichtigste Teil des Erfolgs

TRUMAN CAPOTE

Haben auch Sie schon einmal jemanden bewundert, der sehr viel Disziplin hatte, der sich einfach etwas vorgenommen hat und es – auch wenn es schwierig war – getan hat? Disziplin oder – wenn es um Selbstmotivation geht – die Selbstdisziplin können wir als die Fähigkeit definieren, ein Ziel auch unter inneren (andere Ziele) und äußeren (Hindernisse, Ablenkung, Verführung) Schwierigkeiten konsequent zu verfolgen. Wenn wir dieser Definition folgen, geht es um ein eigenkontrolliertes Verhalten, das zu einer dauerhaften Haltung geworden ist oder einfacher ausgedrückt: Es geht darum, immer wieder das zu tun, was man sich vornimmt.

Das Konzept der Selbstdisziplin geht also davon aus, dass es eine Instanz in uns gibt (das Selbst oder das Ich), die etwas will und eine andere, die es ausführt. Mangel an Selbstdisziplin würde bedeuten, dass die Instanz, die etwas will, sich bei der Instanz, die das Gewollte umsetzen soll, nicht durchsetzen kann. Wenn wir also die Selbstdisziplin fördern oder stärken wollen, dann müssen wir diese Instanz stärken bzw. ihr Techniken an die Hand geben, mit der sie sich auch in schwierigen Situationen durchsetzen kann. Darum geht es in diesem Buch. Wie diese Instanz des Ich oder des Selbst, die sich durchsetzen will, gestärkt werden kann, wird gesondert in der letzten der zwanzig Regeln „Das eigene Selbst, seine Persönlichkeit stärken“ behandelt. Die neunzehn anderen Regeln können als die Techniken verstanden werden, die es dem Selbst erleichtern, die Oberhand zu behalten. So gesehen ist Selbstdisziplin nichts anderes als die Anwendung der hier dargestellten Regeln.

Selbstmotivierung und Fremdmotivierung

In dir muss brennen, was du in anderen entzünden willst.

AURELIUS AUGUSTINUS

In diesem Buch steht die Selbstmotivierung im Vordergrund. Ich bin davon überzeugt, dass Selbstmotivierung eine wichtige Voraussetzung ist, damit uns das Leben gelingt. Falls Sie eine Führungskraft sind oder vielleicht nur häufiger eine Führungsrolle übernehmen, indem sie z. B. in Diskussionen Freunden dazu bewegen wollen, etwas Bestimmtes zu unternehmen, oder in der Familie das gemeinsame Bemühen um bestimmte Ziele durchsetzen wollen, dann können sie die meisten dieser hier dargestellten Regeln natürlich auch verwenden, um andere zu motivieren.

Beispiele

Regel 1: Ziele attraktiv machen: Sie stellen die Ziele, die man gemeinsam erreichen will, besonders attraktiv dar.

Regel 4: Ziele visualisieren: Sie zeigen den Geführten, wie das Erreichen des Ziels aussieht, oder Sie beschreiben es so plastisch, dass das Ziel vor den Augen der anderen sichtbar wird.

Regel 14: Positive Erfahrungen machen, sich belohnen: Sie sorgen dafür, dass Ihre Freunde oder Mitarbeiter schon mit kleinen Schritten in Richtung auf das Ziel belohnt werden.

usw.

Sich selbst zu motivieren oder andere zu motivieren ist also im Prinzip kein großer Unterschied. Man kann sogar sagen, dass die Selbstmotivierung eine Voraussetzung dafür ist, dass man andere motivieren kann. Denn wie schon der eingangs zitierte Gedanke von Augustinus deutlich macht: Wenn Sie selbst nicht motiviert sind, also „brennen“, dann wird es Ihnen kaum gelingen, andere zu motivieren und sie „zu entzünden“.

Zur Darstellung der einzelnen Regeln

In den folgenden Kapiteln werde ich die Regeln im Einzelnen vorstellen. Dabei sollen Zitate und eine einleitende Geschichte Sie auf die jeweilige Regel einstimmen, so dass Ihre entsprechenden Erinnerungen aktiviert werden und Sie sich Ihre eigenen Gedanken zum Thema machen können. (Um auf die oben beschriebenen Makrosysteme von Kuhl zurückzukommen: Die Zitate und vor allem die Geschichten sind dazu da, Ihr Extentionsgedächtnis zu aktivieren.) Anschließend wird jede Regel im Einzelnen erläutert und es werden – soweit mir bekannt – empirische Untersuchungen zitiert, in denen die Wirksamkeit dieser Regeln nachgewiesen wurde. Die Beschreibung der Experimente soll zu einer Konkretisierung der abstrakten Regel beitragen. Dabei werden ich auch einige wissenschaftliche Literatur zitieren, damit Sie als Leserin und Leser die Möglichkeit haben, sich mit dem jeweiligen Thema näher zu befassen, auch wenn dieses Buch primär für Praktiker gedacht ist, die daran kein Interesse haben werden.

Das Ziel der Konkretisierung verfolge ich auch, wenn ich zum Schluss der Darstellung der Regeln Beispiele heranziehe, anhand derer gezeigt wird, wie man die Regel tatsächlich zur Selbstmotivierung einsetzen kann. Die Anwendung der Regeln wird dabei – neben anderen wechselnden Beispielen – häufig an vier Szenarien dargestellt:

• Das eine Beispiel bezieht sich auf den Fall, dass man sich beruflich gezwungen sieht, in eine fremde Stadt zu ziehen, obwohl man sich in der Stadt, in der man z. Zt. wohnt, sehr wohl fühlt. Das Ziel ist es, sich mit Hilfe der Regeln dazu zu motivieren, in diese Stadt zu ziehen, damit man mit mehr Freude und positiver Energie den neuen Arbeitsplatz beginnen kann.

• Das zweite Beispiel bezieht sich auf einen Menschen, der sich das Rauchen abgewöhnen will. Das Ziel ist es hier, sich mit Hilfe der Regeln zu motivieren, einen wirksamen Entschluss zu fassen und bei dem Entschluss zu bleiben und nicht rückfällig zu werden.

• Ein drittes Beispiel betrifft einen Studenten, der sich auf sein Examen oder eine wichtige Prüfung vorbereiten muss bzw. will. Wir gehen in diesem Fall davon aus, dass er noch einige Wochen Zeit hat und sich bewusst ist, dass er mit einem besseren Ergebnis abschließen wird, wenn es ihm gelingt, sich selbst frühzeitig zu motivieren, anstatt im letzten Moment – aus Angst zu versagen – sich die wichtigsten Inhalte unter erheblichem Stress kurzfristig aneignet.

• Ein letztes Beispiel, auf das ich immer wieder zu sprechen komme, habe ich ganz konkret bei meiner Frau erlebt. Eine Freundin hatte sie in einem gemeinsam verbrachten Urlaub auf die Idee gebracht, beim nächsten Marathonlauf in New York mitzulaufen. Nachdem sie ein paar Male am Strand gemeinsam gelaufen waren, versicherte die Freundin meiner Frau, sie sei ein „Lauftalent“ und würde das auf jeden Fall schaffen. Meine Frau ist eigentlich nicht sehr sportlich und das Laufen war noch nie ihre Leidenschaft. Ich war daher überrascht, dass sie sofort von dieser Idee begeistert war. Ich denke auch, dass die Begeisterung sich weniger auf die sportliche Leistung bezog, als auf die Aussicht eine Reise nach New York zu unternehmen, die für sie besondere Attraktivität besaß, vor allem, wenn man die Jahreszeit mit einbezieht: Der Marathonlauf findet immer im November statt und da kann man schon mal an Weihnachten denken. Welche Stadt wäre für meine Frau für Shopping interessanter und begehrenswerter als New York?

Ich war eigentlich innerlich überzeugt, dass meine Frau den Lauf nicht absolvieren würde und fühlte mich in den Wochen nach diesem denkwürdigen Urlaub sehr in meiner Einschätzung der Situation bestätigt. Ihre Freundin, die selbst sehr viel läuft, ist Ärztin. Sie hatte ihr einen Trainingsplan ausgearbeitet, mit dem sie sich in den nächsten Wochen und Monaten die notwendige Kondition antrainieren sollte. Dieser Trainingsplan wurde von meiner Frau bald sehr stiefmütterlich behandelt. Sie hatte Schwierigkeiten mit ihrem Fußballen, der sie schmerzte und sie am Training hinderte. Allerdings ist sie von ihrem Vorsatz, in New York zu laufen, nie abgerückt und sie wurde von ihrer Freundin auch angemeldet. Sie ist auch tatsächlich gelaufen – weil sie eine große Zahl der Regeln zur Selbstmotivierung beachtete – wahrscheinlich eher intuitiv als durch meine Anleitung, aber das kann ich nur schwer beurteilen.

Die Regeln sind unabhängig vom jeweiligen Ziel anwendbar, für das Sie sich motivieren wollen. Aber nicht jede Regel ist in jedem Einzelfall gut geeignet und wirkungsvoll. Sie werden sehr schnell herausfinden, welche der Regeln in einer konkreten Situation besonders hilfreich sind. Das hängt ab von der Situation, in der Sie sich befinden, von dem Ziel, das Sie verfolgen und natürlich auch von Ihrer Persönlichkeit. Wahrscheinlich werden Sie Ihre „Lieblingsregeln“ entdecken, die Sie immer wieder einsetzen und an die Sie sich auch immer wieder erinnern. Andere Regeln geraten vielleicht in Vergessenheit. Zwanzig Regeln sind zu viel, als dass wir sie uns gleichzeitig vor Augen halten können. Auch ich lese die einzelnen Punkte immer wieder durch, wenn ich mich für eine schwierige Aufgabe motivieren will. Dabei soll Sie vor allem die Checkliste am Ende des Buches unterstützen.

Die erste Phase: Die Phase des Abwägens

Die Beschäftigung mit den eigenen Zielen

Wenn man nicht genau weiß, wohin man will, landet man leicht da, wo man gar nicht hinwollte.

Dieses Zitat wurde durch einen Bestseller von Robert F. Mager[7] berühmt, in dem er die operationale Definition von Lernzielen bei der Aus- und Weiterbildung forderte. Nach Mager müssen Ziele so definiert sein, dass es keine Missverständnisse über das Erreichen der Ziele gibt. Klare Ziele sind aber nicht nur wichtig, wenn man eine Trainings- oder eine Schulungsmaßnahme konzipiert, sie sind genauso wichtig, wenn man sein eigenes Verhalten planen will – und wenn man sich motivieren will, die gesetzten Ziele zu erreichen. Klar sind Ziele dann, wenn sie für uns – oft auch für andere – sichtbar sind, wenn sie konkret sind. Das Ziel „Ich möchte reich werden“ ist zu ungenau und zu abstrakt. Das Ziel „Ich möchte mit 31 Jahren ein Haus im Grünen bewohnen“ ist dagegen konkreter.

Ziele müssen aber nicht nur klar sein, sie müssen vor allem für uns selbst Bedeutung besitzen, sie müssen für uns persönlich wichtig sein, sie müssen von uns selbst stammen.

Die Klärung der eigenen Ziele und die Bearbeitung dieser Ziele, so dass sie die Qualität besitzen, die sie für uns wertvoll machen, gehören in die erste Phase, den Weg von der Wahl eines Handlungsziels bis zur Zielrealisation. Insgesamt unterscheiden wir vier Regeln, die sich auf die Ziele beziehen. Man muss sie beachten, wenn man sich selbst motivieren will:

1. Das Ziel attraktiv machen

2. Aktivieren intrinsischer Bedürfnisse

3. Persönliche Ziele

4. Ziele visualisieren.[8]

Regel 1: Das Ziel attraktiv machen

Der Weg zum Ziel beginnt an dem Tag, an dem du die hundertprozentige Verantwortung für dein Tun übernimmst.

DANTE ALIGHIERI

Als erst einige Grundmauern des Petersdoms standen, fragte ein Priester einige Maurer: „Was machen Sie gerade?“

Der erste Maurer antwortete: „Ich mache, was man mir aufgetragen hat. Fragen Sie den Vorarbeiter, der sagt es Ihnen sicher.“

Der zweite Maurer antwortet: „Ich mauere Ziegel, ich baue eine Mauer, ich tue meine Arbeit.“

Der dritte Maurer antwortet: „Ich arbeite mit am Bau einer der größten Kathedralen der Welt, an einem Gebäude, das viele Hunderte von Jahren Zeugnis davon ablegen wird, was Menschen mit Hilfe der Inspiration Gottes leisten können.“

Die Botschaft der Geschichte

Der dritte Maurer war ein Mensch mit einer Vision. Er verrichtete seine Arbeit mit Freude und sicher war die Qualität seiner Arbeit auch besser, als die der ersten beiden Maurer. Letztlich kommt es darauf an, ob wir bei dem, was wir tun, den Blick für das Ganze bekommen oder behalten. Es kommt darauf an, die Welt aus dem Weltraum sehen zu können, wie der Astronaut Russel (Rusty) Schweickart[9] sagte, der als einer der ersten Menschen den Planeten Erde aus der Weltraum betrachten konnte und daraus seine Vision entwickelte. „Wenn Sie das große Bild Ihres Lebens sehen, so wird Ihnen dies helfen, einen Plan, eine Mission zu entwickeln, die es Ihnen ermöglicht, dieses Leben auf umfassende und erfüllende Weise zu leben.“

Große und kleine, schwierige und einfach zu erreichende Ziele

Motivation ist immer auf ein Ziel hin gerichtet. Große Ziele verschaffen große Motivation, kleine Ziele eher kleine. Das Problem besteht darin, dass große Ziele fast immer auch viel Aufwand verlangen und dieser Aufwand wird mitgedacht, wenn man sich das Erreichen eines solchen großen Ziels vorstellt.

Kleine Ziele haben den Vorteil, dass sie schneller und leichter erreicht werden, aber sie sind natürlich meist auch nicht so attraktiv.

Wissenschaftlich betrachtet ist die Stärke der Motivation also von zwei Faktoren abhängig: von dem Wert der Belohnung, der meist umso größer ist, je schwieriger die Aufgabe sich darstellt, und von der Erfolgswahrscheinlichkeit, die umso größer ist, je einfacher ein Ziel zu erreichen ist. An zwei Extremen wird der Zusammenhang deutlich: Wenn es mein Ziel ist, in einer Quiz-Sendung des Fernsehens aufzutreten und eine Million zu gewinnen, dann werde ich den Wert der Belohnung hoch ansetzen, aber nur dann aktiv werden, wenn ich die Erfolgswahrscheinlichkeit nicht zu niedrig beurteile. Wenn ich mir vorgenommen habe, früher ins Bett zu gehen, um beim Aufstehen am Morgen nicht mehr so müde zu sein, dann ist die Erfolgswahrscheinlichkeit sehr hoch, aber die Belohnung wird von vielen nicht genügend hoch eingeschätzt, um den Fernseher auszuschalten. Natürlich spielen bei der Beurteilung der Situation auch das Bild, das ich von meiner Person habe (Bin ich jemand, der das, was er sich vornimmt auch durchführt? Oder bin ich jemand, der sich von der Situation inspirieren lässt und flexibel ist?), meine Motive und Bedürfnisse (Was ist mir wirklich wichtig?) und vieles mehr eine Rolle.

Probleme mit der Motivation hat man immer erst dann, wenn Ziele nur schwer erreichbar sind, wenn entweder zu viele äußere oder innere Widerstände dagegen sprechen, sich auf das Erreichen des Ziels zu konzentrieren.

Äußere Widerstände können einen Menschen anspornen, sich noch mehr anzustrengen. Hier spielt das Selbstbild eine große Rolle. Wenn jemand in der Vergangenheit oft die Erfahrung gemacht hat, dass er zu schwach für die Aufgaben ist, die ihm das Leben stellt, und der sich an die schlimmen Situationen der Ohnmacht und der Hilflosigkeit erinnert, die mit dem Scheitern verbunden waren, der wird schnell aufgeben, wenn er beim Erreichen seiner Ziele auf Widerstände stößt. Hat jemand jedoch schon öfter an sich selbst erfahren, dass er an Widerständen wachsen kann und dass es ihm möglich war, die Hindernisse zu überwinden, dann kann er sich das Gefühl des Triumphs und der Kraft ins Gedächtnis rufen. Dieser Mensch wird sich durch Schwierigkeiten beim Erreichen seines Zieles herausgefordert fühlen und sich besonders anstrengen. Äußere Hindernisse können ihn also sogar herausfordern und damit motivieren. Die Frage, wie ein Mensch auf äußere Widerstände reagiert, hat also viel mit der eigenen Persönlichkeit zu tun. Ich werde darauf bei der letzten Regel 20 noch einmal zurückkommen.

Innere Widerstände bedeuten, dass jemand zu viele, sich widerstrebende Bedürfnisse und Wünsche hat. Einerseits möchte ich früh ins Bett gehen, andererseits ist dieser Fernsehfilm gerade so spannend oder ich habe Angst, etwas Wichtiges zu versäumen. Aus dem berühmten Theaterstück „Faust“ von Goethe stammt der Satz: „Zwei Seelen wohnen – ach – in meiner Brust.“ Es sind diese widerstrebenden „zwei Seelen“, die oft für unsere Untätigkeit verantwortlich sind und das Erreichen unserer Ziele vereiteln. Die Konsequenz ist, dass wir immer wieder feststellen, dass wir das, was wir uns vorgenommen haben, nicht erreichen.

Aber sind es wirklich immer nur „zwei“ Seelen? Haben wir nicht sehr oft noch viel mehr Seelen in unserer Brust, die uns hinsichtlich unserer Ziele oder hinsichtlich der Tätigkeiten, die auf die Ziele gerichtet sind, hin- und herschwanken lassen? Wir möchten gern für die Prüfung lernen, weil wir das Ziel haben, eine gute Note zu bekommen. Gleichzeitig möchten wir aber auch der Einladung unserer Freunde folgen und mit ihnen ins Kino gehen. Oder eine attraktive Kommilitonin oder ein netter Kommilitone lockt mit einem Abendessen. Beispiele dieser Art ließen sich noch endlos weiter ausführen und sicher hat das jeder schon einmal erlebt. Der Hamburger Psychologe und Bestsellerautor Friedemann Schulz von Thun hat für diese menschliche Grundhaltung das Modell vom „inneren Team“ entwickelt. Wir werden auch auf dieses Thema bei der Behandlung der letzten Regel noch einmal zurückkommen.

Aufgaben als Herausforderung sehen

Äußere und innere Widerstände können wir vor allem dann überwinden, wenn unser Ziel attraktiv ist. Dabei können Widerstände sogar dabei helfen, ein Ziel für uns wünschenswert zu machen. Viele Menschen lieben die Herausforderung. Herausforderungen bergen die Chance in sich, persönlich zu wachsen und Erfolgserlebnisse zu erleben, die unser Selbstwertgefühl steigern. Ob wir bei auftretenden Schwierigkeiten das Problem sehen oder darin eine Chance erkennen, sich zu bewähren und daran zu wachsen, können wir selbst mit beeinflussen. Der „Trick“ liegt darin, diejenigen Aspekte der Schwierigkeiten in den Vordergrund zu rücken, die mit „Herausforderung“ und mit „Chance zur Bewährung“ assoziiert sind. Ein wichtiger Punkt dabei ist, dass das Ziel, das wir anstreben, von uns als „schwierig zu erreichen“ klassifiziert wird. Allerdings darf es natürlich nicht so schwer zu erreichen sein, dass wir es uns nicht zutrauen.

Ziele dürfen also nicht zu schwierig und vor allem nicht zu komplex sein. Komplexe, langfristige Ziele zerlegen wir am besten in Teilziele, deren Erreichen sofort überprüfbar ist und uns zum Weitermachen motiviert. Durch das Zerlegen komplexer Ziele in Teilziele reduziert man meist auch den subjektiven Schwierigkeitsgrad. Frayne und Latham[10] konnten in einem Selbstmanagementtraining nachweisen, dass auch die mentale Zerlegung der Fernziele in schrittweise abzuarbeitende Nahziele eine positive Wirkung hatte. Die Beteiligten machten schon früh im Prozess der langfristigen Zielverfolgung die Erfahrung, dass sie eigene Absichten erfolgreich in Handeln umsetzen können.

Durch das Zerlegen von umfangreichen Zielen in konkrete Teilziele wird das Ziel auch spezifischer. DeShon und Alexander[11] weisen darauf hin, dass spezifische Ziele die Identifizierung und Differenzierung von leistungsförderlichen und -beeinträchtigenden Strategien verbessern.

Wie macht man ein Ziel attraktiv?

In der Regel werden wir von den vielen Tätigkeiten, die in einer bestimmten Situation zur Wahl stehen, die attraktivste auswählen. Das ist die Tätigkeit, die am wenigsten Mühe macht und bei der im Tun schon die Belohnung liegt, oder die uns zu dem attraktivsten Ziel führt. Ist eine gute Note im Examen oder die Vorstellung, mit der Kommilitonin eng befreundet zu sein, attraktiver – vorausgesetzt wir erwarten, dass beide Ziele mit der etwa gleichen Wahrscheinlichkeit erreicht werden können? Wenn das wirklich die Entscheidungskriterien sind, wird man die Wahl später auch nicht bereuen. Allerdings entscheiden wir uns oft einfach nur für die näherliegende Alternative, die leichter zu erreichen ist, die weniger Mühe erfordert oder deren Erreichen mit weniger Risiko verbunden ist. Aber auch in diesem Fall spielt die Attraktivität eines Zieles eine entscheidende Rolle. Wenn unser Ziel wirklich wünschenswert ist, wenn wir viele positive Erwartungen mit ihm verbinden, dann wird es sich auch gegenüber naheliegenden, angenehmen Alternativen durchsetzen können.

Ob ein Ziel attraktiv ist, können wir selbst beeinflussen, bis zu einem gewissen Grad sogar entscheiden. Wir können ein Ziel attraktiv oder weniger attraktiv machen, es kommt nur darauf an, ob und wie viele positive Attribute wir mit dem Ziel verbinden. Wenn wir uns ausmalen, wie schön es wäre, ein gutes Examen zu machen, wenn wir daran denken, welche Türen uns damit geöffnet werden, mit welchen Belobigungen wir rechnen können usw., dann wird dieses Ziel immer mehr Anziehungskraft gewinnen. Wir können uns natürlich auch ausmalen, wie schön es wäre, mit der für uns so attraktiven Kommilitonin zusammen zu sein, wie schön es wäre, in einer Partnerschaft mit ihr zu leben usw. Wir werden uns mit großer Wahrscheinlichkeit dem Ziel zuwenden, das für uns im Moment attraktiver erscheint, und die Attraktivität können wir dadurch beeinflussen, indem wir das entsprechende Ziel mit positiven Vorstellungen verbinden.

Das gilt nicht nur für die Situation, in der mehrere Ziele in uns um ihre Realisierung wetteifern. Auch wenn wir nur ein Ziel vor Augen haben, können wir dieses Ziel attraktiver machen, indem wir uns ausmalen, welche positiven Konsequenzen das Erreichen des Ziels hätte. Von großem Vorteil ist es dabei, wenn man die eigene Wertehierarchie kennt, wenn man weiß, welche grundlegenden Werte einem besonders wichtig sind. Denn es ist ein Unterschied, ob einem die eigene Familie, die Karriere oder vielleicht sogar die eigene Sicherheit besonders wichtig ist. Entsprechend sollte das Ziel, das Sie für sich attraktiv gestalten möchten, mit Vorstellungen in Verbindung gebracht werden, die mit den Werten zusammenhängen, deren Bedeutung für Sie im Vordergrund stehen.

Der dritte Maurer hat sein Ziel, die Mauer hochzuziehen, dadurch wertvoll gemacht, dass er es als Teil eines großen Ganzen gesehen hat. Er hat eine Vision entwickelt. Auch das ist ein Weg, der uns sehr oft offen steht. Wir können z. B. das Examen als Teil einer beruflichen Karriere sehen, die uns am Ende unseres Berufslebens stolz auf das Erreichte zurückblicken lässt.

Routine und Langeweile vermeiden

Sich für ein Ziel zu motivieren und dafür zu sorgen, dass man es auch längerfristig nicht aus den Augen verliert, bedeutet auch, den Weg zum Ziel in die Überlegungen und Vorbereitungen mit einzubeziehen und ihn so angenehm wie möglich zu machen. Wenn die Tätigkeiten, die zum Erreichen des Ziels notwendig sind, zur Routine werden und sich unter Umständen Langeweile und damit Abneigung entwickeln könnte, müssen wir dafür sorgen, dass dieser Weg an sich attraktiv wird. Das kann uns gelingen, indem wir besonderen Wert auf die Begleitumstände legen, die mit dem Weg verbunden sind. Wenn wir uns z. B. vorgenommen haben, eine neue Sprache zu lernen, kann man das – für viele eher langweilige – Vokabellernen dadurch attraktiver gestalten, indem man sich für dieses Vorhaben eine ganz bestimmte Tageszeit reserviert, zu der man ungestört ist. Um der Tätigkeit des Lernens einen einladenden Charakter zu verleihen, könnte man sich selbst z. B. seinen Lieblingstee oder Kaffee in einem besonders schönen Service mit ein paar Keksen dazu servieren. Wir können uns auch einen sehr attraktiven Lehrer, bzw. eine sehr attraktive Lehrerin suchen.

Die Bewertung der Ziele in unserem Gehirn

Die Steuerungszentrale unseres komplexen Verhaltens ist unser Gehirn. Eine wesentliche Rolle für die Selbstmotivierung spielt ein Teil des Gehirns, das das limbische System genannt wird. Es liegt unterhalb der Hirnrinde, dem Cortex. Der Cortex wird für das bewusste Überlegen verantwortlich gemacht, während im limbischen System die Gefühle eines Menschen verortet sind. Das limbische System bewertet alle Informationen, die das Bewusstsein erreichen, nach den Kriterien wichtig/unwichtig, wünschenswert/nicht wünschenswert, angenehm/unangenehm.

Das gilt nicht nur für die Wahrnehmungen, die uns von außen erreichen, sondern in gleichem Maße für die Ideen und Vorstellungen, die wir selbst in unserem Gehirn entwickeln. Auch diese werden sofort beispielsweise mit dem Attribut wünschenswert/nicht wünschenswert versehen. Ziele, die längerfristig in unserem Bewusstsein präsent sein sollen, nach denen wir uns orientieren wollen, müssen eine positive Bewertung erfahren, sonst werden wir sie früher oder später fallen lassen. Wir können solche Bewusstseinsinhalte in ihrer Bewertung beeinflussen, indem wir sie mit anderen Bewusstseinsinhalten, die von uns positiv beurteilt werden, in Verbindung bringen. Darin liegt die Freiheit des Menschen: Wenn wir die Möglichkeit dazu haben, werden immer nur das tun, was wir gern tun. Was wir aber gern tun, ist davon abhängig, ob wir die Tätigkeit bzw. das Ziel mit positiven Gefühlen verbinden. Darüber aber können wir frei entscheiden, indem wir unsere Ziele mit Vorstellungen assoziieren, die positive Gefühle auslösen.

Dies ist das Prinzip, nach dem die Werbung verfährt. Die umworbenen Produkte werden z. B. auf Plakaten mit sympathisch wirkenden Persönlichkeiten oder mit angenehmen Situationen in Verbindung gebracht und damit strahlt die positive Bewertung, die wir dieser Persönlichkeit oder der Situation gegenüber empfinden, auf das Produkt aus. Das geschieht – weitgehend unbewusst – im limbischen System und hat mit dem Cortex, der Gehirnrinde wenig zu tun. Wir können diesen Effekt sogar mit Hilfe unseres Cortexes weitgehend neutralisieren, wenn wir uns klarmachen, dass die Person mit dem Produkt, mit dem sie gemeinsam dargestellt ist, nichts zu tun hat und nur deshalb zusammen mit ihm auf dem Plakat zu sehen ist, weil sie Geld dafür bekommt. Aber wir hätten viel zu tun, wenn wir jedes Plakat, das wir im Laufe eines Tages sehen, analysieren wollten. Wir können jedoch von diesen Techniken der Beeinflussung lernen, sie auf uns selbst anwenden und uns auf diese Weise selbst motivieren. Ein Beispiel dafür finden Sie am Ende dieses Abschnitts.

Ziele sollten uns vertraut sein

Es gibt noch eine andere Technik, die in der Werbung häufig genutzt wird und die wir für die Selbstmotivierung nutzen können. Phänomene und damit auch Ziele werden für uns attraktiver, wenn wir eine gewisse Vertrautheit mit ihnen entwickeln. Dabei reicht es, dass wir das Phänomen, oder unser Ziel, oft „vor Augen haben“. Je häufiger ein zunächst unbekannter Reiz dargeboten wir, desto positivere Reaktionen löst er aus.[12] Wir sollten uns also viel mit dem gesetzten Ziel beschäftigen, im Internet über das Ziel recherchieren, Bücher oder Fachzeitschriften lesen, in denen über Themen berichtet wird, die mit dem Ziel zu tun haben usw.

Dieses Phänomen, dass uns vertraute Ziele attraktiver erscheinen, ist häufig untersucht und immer wieder bestätigt worden. Kuhl[13] führt diesen Effekt auf die Vorhersagbarkeit eines Reizes zurück, der mit seiner Vertrautheit steigt. Mit der Vorhersagbarkeit geht eine Aktivierung des Extensionsgedächtnisses einher, was zu einer Steigerung des positiven Affekts führt.

Annäherungs- oder Vermeidungsverhalten

Alles was wir tun, tun wir entweder, um etwas zu erreichen, was wir uns wünschen (wir sprechen von Annäherungsverhalten) oder um etwas zu vermeiden, was uns unangenehm ist (wir sprechen von Vermeidungsverhalten). Häufig ist uns das selbst nicht bewusst, die Unterscheidung ist aber wichtig, wenn es um unseren täglichen Gemütszustand geht und besonders, wenn wir uns motivieren wollen. An der Tätigkeit selbst ist nicht erkennbar, warum wir sie ausüben. Warum sehen wir abends fern? Interessiert uns das, was wir sehen wirklich? Oder wollen wir nur die Langeweile oder sogar die negativen Gedanken vermeiden, die entstehen würden, wenn wir uns nicht „berieseln“ ließen? Grundsätzlich sind Annäherungsziele immer attraktiver. Sie bringen uns weiter, durch sie erreichen wir, was wir uns vorgenommen haben und sie versetzen uns in eine bessere Stimmung. Wir sollten also darauf achten, dass wir in unserem Alltag möglichst selten Vermeidungsziele verfolgen. Hinzu kommt, dass wir viel Zeit gewinnen, wenn wir uns mehr auf Annäherungsziele konzentrieren, Zeit, die wir für Ziele einsetzen können, für die wir uns motivieren wollen.

Fremdbestimmte Ziele

Ziele setzt man sich nicht nur selbst. Eine allgemein anerkannte Definition von Zielen lautet: Ziele sind bewusste Vornahmen einer Person, die sich auf zukünftige, von ihr angestrebte Handlungsresultate beziehen, welche zumeist außerhalb des Individuums liegen. Die Ziele können dabei ihren Ursprung in der handelnden Person selbst haben, sie können gemeinsam mit anderen Personen ausgehandelt bzw. vereinbart werden oder aber auch von anderen Personen vorgegeben sein.[14]

Die gewünschte Selbstmotivation kann sich also auch auf Ziele beziehen, die mit anderen ausgehandelt oder die völlig von anderen vorgegeben wurden. Auch solche Ziele können wir für uns attraktiv machen, indem wir die hier besprochenen Techniken einsetzen, z. B. das Erreichen des Ziels mit uns angenehmen Vorstellungen verknüpfen. Der dritte Maurer hat uns ein Beispiel dafür geliefert. Ein anderes Beispiel ist mir früh in meiner beruflichen Tätigkeit begegnet: Angestellte Näherinnen hatten eine monotone Tätigkeit zu verrichten. Es gelang ihnen auch nicht, sich die Arbeit attraktiv zu machen, indem sie sie mit positiven Attributen versahen. Sie motivierten sich, zur Arbeit zu gehen, indem sie daran dachten, wie schön es sei mit den Kollegen zusammen zu sein, die sie dort trafen und mit denen sie auch während der Arbeit reden konnten.

Andere motivieren

Die hier besprochenen Kriterien sind auch wirksam, wenn wir das Ziel haben, nicht uns selbst, sondern andere zu motivieren. In Untersuchungen hat sich gezeigt, dass erfolgreiche Führungskräfte in ihrem Verhalten jene Bedingungen realisieren, die die Forschung als förderlich für die Leistungswirksamkeit von Zielen identifiziert hat. Es sind genau die, die hier zum Kennzeichnung von Zielen vorgeschlagen werden, um sie für sich selbst attraktiver zu machen: d. h. erfolgreiche Führungskräfte geben ihren Mitarbeitern herausfordernde, spezifische und erreichbare Zielen.[15] Wenn man nicht das Glück hat, einen in dieser Weise geschulten Chef zu haben, dann muss man selbst dafür sorgen, dass die Ziele die erwähnten Eigenschaften besitzen. Dabei sind wir wieder bei der Notwendigkeit zur Selbstmotivierung angelangt.

Zusammenfassung Regel 1 „Das Ziel attraktiv machen“

Wenn wir uns selbst motivieren wollen, müssen wir das Ziel, das wir dabei verfolgen, möglichst attraktiv machen. Das erreichen wir, indem wir

• viele positive Gefühle auslösende Vorstellungen mit dem Ziel verbinden;

• das Ziel konkret machen;

• komplexe Ziele in kleinere Unterziele gliedern;

• uns intensiv mit dem Ziel beschäftigen und es uns auf diese Weise vertraut machen;

• schwierige Ziele oder auftauchende Schwierigkeiten als Herausforderung interpretieren.

Beispiele zu Regel 1 „Das Ziel attraktiv machen“

Ehrgeiz entwickeln

Wenn jemand mehr Ehrgeiz entwickeln will, „fleißig sein“ aber als spießig empfindet und sich einbildet „genial“ zu sein,

• dann muss er sich motivieren, zu den „Leistungsträgern“ zu gehören (vorausgesetzt, es gelingt ihm, das als ein herausforderndes Ziel vor sich selbst darzustellen);

• dann muss er sich motivieren, mehr Geld verdienen zu wollen und eine Gehaltserhöhung bis zu einem bestimmten Datum zu erreichen (vorausgesetzt, dass die Gehaltserhöhung von der Leistung abhängig ist);

• dann muss er sich mit anderen sehr engagierten Kollegen vergleichen (vorausgesetzt, dass es ihm gelingt, Kollegen ausfindig zu machen, die ihm sympathisch sind und die er als ehrgeizig einstuft).

Fitnesstraining

Dieses Beispiel habe ich persönlich ausprobiert: Vor mehreren Jahrzehnten nahm ich mir vor, etwas für meine Gesundheit zu tun, indem ich meine Schreibtischtätigkeit durch regelmäßiges Körpertraining ergänzte.

Das Ziel wurde für mich besonders attraktiv durch das Buch von Cooper, Bewegungstraining. Praktische Anleitung zur Steigerung der Leistungsfähigkeit, in dem die positiven Folgen von regelmäßigem Konditionstraining plastisch dargestellt wurden: höhere und längere Konzentration, mehr Ausdauer, bessere Gesundheit, mehr Freude im Alter usw. Besonders wichtig war es aber für mich, dass ich das Training selbst (den Weg zum Ziel) mit positiven Assoziationen verband. Ich richtete mir den Raum, in dem ich mein Training absolvierte, schön ein, sorgte dafür, dass er immer so warm war, dass ich mich richtig wohl fühlte und ich legte eine Sammlung von CDs mit rhythmischer Musik an, die mir besonders gut gefiel.

In eine fremde Stadt umziehen

Wenn Sie in eine fremde Stadt ziehen müssen, das eigentlich aber nicht wünschen und sich daher dafür motivieren wollen, dann könnten Sie

• sich ein oder mehrere Bücher besorgen, in der die fremde Stadt positiv dargestellt ist;

• sich informieren, welche kulturellen Angebote die Stadt bereit hält, vor allem in Feldern, für die Sie sich interessieren;

• versuchen, über gemeinsame Bekannte oder über das Internet Kontakt mit Personen aufzunehmen, die in dieser fremden Stadt wohnen und die Ihnen sympathisch sein könnten.

Mit dem Rauchen aufhören

Wenn Sie den Wunsch haben, nicht mehr zu rauchen, dann könnten Sie das Ziel „Nichtrauchen“ dadurch besonders anziehend machen, indem Sie eine Liste erstellen, auf der alle Vorteile des Nichtrauchens aufgelistet sind. Darüber hinaus könnten Sie nach für Sie attraktiven Personen recherchieren, die mit dem Rauchen aufgehört haben.

Sich auf ein Examen vorbereiten

Das Ziel attraktiv zu machen, das mit dem Bestehen eines Examens verbunden ist, kann leicht oder schwer sein, je nachdem wie konkret das Examen mit einem Wunschberuf zu tun hat. Auch in diesem Fall geht es bei der Motivation nicht so sehr darum, neue Ideen zu entwickeln, die mit dem Bestehen des Examens zusammenhängen (obwohl auch das möglich ist), als vielmehr die entsprechenden positiven Bilder in den Vordergrund des Bewusstseins zu holen. Man kann sich aber auch motivieren, indem man sich Begleiterscheinungen, die mit dem guten Bestehen der Prüfung zusammenhängen, bewusst macht. Z. B. hat es mich immer wieder motiviert, mir vorzustellen, bei dem Dozenten, den ich vom meinem Studium her kannte und den ich mochte, einen guten Eindruck zu machen.

Regel 2: Aktivieren intrinsischer Bedürfnisse

Begeisterungsfähigkeit ist eine der Hauptursachen für den Erfolg im Leben.

DALE CARNEGIE

Das Märchen von Frau Holle

Im Märchen von Frau Holle geht es um ein Mädchen, das von ihrer Stiefmutter schlecht behandelt und ausgenutzt wird, da diese ihre leibliche Tochter bevorzugt. Dieses Mädchen lässt versehentlich ihre Spindel in einen Brunnen fallen. Auf Weisung ihrer Stiefmutter muss sie der Spindel hinterherspringen und landet so in der Brunnenwelt. Hier erledigt sie gewissenhaft verschiedene Aufgaben und tritt schließlich in die Dienste von Frau Holle. Bei ihr muss sie die Betten gründlich ausschütteln, damit es auf der Erde schön schneit und andere Aufgaben im Haushalt erledigen. Sie macht das sehr gern, sie ist Arbeit gewohnt und freut sich daran, wie die Federn fliegen, wenn sie die Betten ausschüttelt.

Nachdem das Mädchen lange Zeit ihre Aufgaben gewissenhaft und mit Begeisterung erfüllt hat, bittet sie Frau Holle, heimkehren zu dürfen. Da das Mädchen so gut gearbeitet hat, belohnt Frau Holle es mit einem Goldregen. Zu Hause angekommen beneiden ihre Stiefmutter und deren leibliche Tochter sie um den Goldschatz und auch ihre Stiefschwester springt in den Brunnen, um die Belohnung zu bekommen. Auch sie wird von Frau Holle in Dienst genommen, aber sie hat keine Freude an der Arbeit und denkt immer nur an die Belohnung, die sie hoffentlich bald bekommen wird. Sie macht daher ihre Arbeit auch nicht so gut wie ihre Schwester und wird zum Lohn statt mit Gold mit Pech überschüttet. „Das Pech aber blieb an ihr hängen, solange sie lebte.“

Nach den Gebrüdern Grimm

Die Botschaft des Märchens

Märchen erzählen uns oft allgemeingültige Wahrheiten und das gilt wohl auch für dieses Märchen. Es macht deutlich, wann man mit Gold und wann man mit Pech belohnt wird. Etwas übertrieben könnte man die Botschaft so formulieren: Wenn man das, was man tut, deshalb tut, weil man Freude daran hat (also intrinsisch motiviert ist), wird man reichlich belohnt. Wenn man es aber nur tut, weil man auf eine Belohnung schielt (also extrinsisch motiviert ist), dann wird man das Pech nicht mehr los.

Was versteht man unter intrinsischer Motivation?

Intrinsisch sind wir motiviert, wenn wir etwas tun, weil uns die Tätigkeit selbst gefällt, weil wir gern tun, was wir tun. Ein Schriftsteller, der Romane schreibt, obwohl sie nie veröffentlicht werden, ist sicher intrinsisch motiviert. Das Gegenteil wären extrinsisch motivierte Personen, die eine Tätigkeit, nur deshalb ausüben, weil sie etwas anderes damit erreichen wollen. Wenn ein Mitarbeiter sich besonders anstrengt, um eine Prämie zu bekommen oder um von seinem Chef gelobt zu werden, dann ist er extrinsisch motiviert.

Wie schon das Märchen zu verstehen gibt, ist eine intrinsische Motivation der extrinsischen überlegen. Viele Untersuchungen haben gezeigt, dass intrinsisch Motivierte mehr Kreativität in ihre Tätigkeit integrieren, dass sie sich anstrengen, ohne dass ihnen die Anstrengung bewusst wird und dass sie ihre Tätigkeit mit mehr Energie ausüben. Das Selbstsystem ist an der Handlung in einem großen Maß beteiligt, das verfolgte Ziel ist selbstkongruent, es stimmt mit den persönlichen, tief empfundenen Werten überein. Menschen, die ihre Ziele mit einem hohen Grad an subjektiv eingeschätzter Selbstbestimmung, Selbstverpflichtung und damit intrinsischer Motivation verfolgen, geben ein deutlich höheres Ausmaß an Lebenszufriedenheit und subjektivem Wohlbefin-den an, als Menschen mit fremdkontrollierten Zielen.[16]

Nach der PSI-Theorie von Julius Kuhl sind wir dann intrinsisch motiviert, wenn wir Zugang zu unserem Selbstsystem, also zu unserem Extensionsgedächtnis haben. Das gelingt vor allem dann, wenn wir in guter Stimmung sind. Die Fähigkeit, selbstreguliert – also von äußeren Bedingungen weitgehend unabhängig – einen positiven Affekt herstellen zu können, betrachtet Kuhl als eine entscheidende Voraussetzung für Selbstbestimmung und damit auch für intrinsische Motivation.[17] Wenn diese Fähigkeit nicht vorliegt, ist der Betreffende darauf angewiesen, dass er seine Motivation aus anderen Quellen bezieht.

Wenn man intrinsisch motiviert ist, kommt es auf das Tun als solches an, auf den Prozess, nicht auf das Resultat. In unserer Kultur ist die Orientierung im Allgemeinen genau entgegengesetzt. Wir haben das Gefühl, alle materiellen und sogar die immateriellen Dinge kaufen zu können und so glauben wir, dass die Dinge zu unserem Eigentum werden, unabhängig davon, ob wir uns auf schöpferische Weise um sie bemüht haben. Die folgende Szene macht das sehr deutlich:

Der Reiche zeigt stolz auf seinen Garten und sagt zu seinem Gast: „Das ist mein Garten!“ Der Gärtner hört es und lächelt.

Wenn man die Realität von der Seite der persönlichen Befriedigung her betrachtet, dann sieht es ganz anders aus: Nur das gehört uns wirklich, auf das wir durch unser schöpferisches Tun unmittelbar bezogen sind, ob es sich nun um einen Menschen oder einen unbelebten Gegenstand z. B. einen Garten handelt.[18]

Mihaly Csikszentmihalyi hat ein besonderes Glücksgefühl beschrieben, das er bei Menschen beobachtete, die intrinsisch motiviert einer Tätigkeit nachgingen und hat dieses Gefühl „Flow“ genannt.[19] Die Person, die ein solches „Flow-Erleben“ hat, verliert sich in der Tätigkeit, die sie gerade ausübt. Kuhl geht davon aus, dass bei diesem Erleben ein deutlicher Selbstbezug eine Rolle spielt. „Die Beteiligung des Selbstsystems ist nicht so sehr aus der Selbstreflexion, sondern eher aus der ausgedehnten Zeitcharakteristik des Flusserlebens (im Flow-Erleben „vergessen“ wir die Zeit) indirekt erschließbar.“[20] Ohne Beteiligung des Selbstsystems an der Handlungssteuerung wäre mit einer Abhängigkeit des positiven Affekts von der Erreichung konkreter Ziele zu rechnen, wohingegen ein Charakteristikum des Flow-Erlebens darin besteht, dass man in die Tätigkeit vertieft ist, ohne an das Erreichen eines Ziels zu denken.

Behindern von intrinsischer Motivation

Das Korrumpierungsphänomen

Man kann die intrinsische Motivation untergraben, indem man jemanden für das belohnt, was er sowieso gern tut. Man nennt das „das Korrumpierungsphänomen“. Viele Untersuchungen zeigten, dass die intrinsische Motivation, d. h. die aus der Ausführung einer interessanten Tätigkeit erwachsende Freude, reduziert wird, sobald die Person für die Ausführung der Tätigkeit belohnt wird.

Kuhl[21] zitiert eine Untersuchung von Nepper, Green und Nisbet (1973), die man mit Kindergartenkindern durchgeführt hat. Die Kinder malten in einer freien Spielsituation spontan und mit sichtlicher Freude an einem Maltisch. Sie verloren die Lust am Malen, als man sie bat, für eine kleine Belohnung der Versuchsleiterin ein Bild zu malen: Eine Woche nach dieser Intervention tauchten die belohnten Kinder seltener am Maltisch auf als die Kinder einer Kontrollgruppe, die nicht belohnt wurden.

Die PSI-Theorie von Kuhl bietet eine Erklärung dafür, warum die intrinsische Motivation durch materielle Anreize zerstört wird. Wenn ein Verhalten fast nur durch äußere Anreize (Anweisungen, Belohnung) gesteuert wird, sinkt die innere Beteiligung. Dadurch wird die Selbstmotivierungsfunktion, die dafür sorgt, dass die Freude aus der Tätigkeit selbst entspringt (Flow), außer Kraft gesetzt. Die intrinsische Motivation wird aus dem Selbstsystem (aktivierte Selbstrepräsentation) gespeist, aus ihm kommen die reibungslos ablaufenden, intuitiven Verhaltensprogramme. Dieses Selbstsystem löst die positiven Gefühle aus. Wenn man eine Person belohnt, aktiviert man das Intentionsgedächtnis dieser Person und hemmt damit das Extensionsgedächtnis und die damit verbundenen positiven Gefühle. Vereinfacht ausgedrückt kann man sagen: Die intrinsische Motivation aktiviert das kreative Selbst. Sobald Belohnung im Spiel ist, fühlt man sich verpflichtet und handelt nicht mehr aus sich heraus.

Konsequenzen für die Selbstmotivation

Ideal wäre es, wenn wir bei allem was wir tun, intrinsisch motiviert wären. Wir würden dann die Anstrengungen um das Erreichen unserer Ziele gar nicht mehr als Mühe empfinden, sondern wir wären glücklich und zufrieden bei dem, was wir tun. Wir würden ein Optimum leisten. Das ist selbstverständlich unrealistisch. Die gescheiterten pädagogischen Versuche unter dem Schlagwort „antiautoritäre Erziehung“ in den 1960er Jahren haben gezeigt, dass unsere Welt dafür nicht geeignet ist. Wir können aber die oben dargestellten Überlegungen und empirischen Ergebnisse nutzen, um zu erreichen, dass wir selbst häufiger als bisher intrinsisch motiviert sind.

Intrinsische Motivation hat damit zu tun, dass es uns gelingt, unsere Bemühungen mit dem Selbstsystem in Verbindung zu bringen. Wenn wir es schaffen, unser Ziel oder die Tätigkeit, die uns unserem Ziel näherbringt, mit unserem inneren Selbst in Einklang zu bringen, wenn es gelingt möglichst viele Bedürfnisse, Werte, Lebenserfahrungen und andere Selbstanteile zu aktivieren, dann sind wir auch intrinsisch selbstmotiviert.

Dies sei an einem Beispiel verdeutlicht: Angenommen, Sie haben die Aufgabe bekommen, auf die kleinen Kinder des Nachbarn aufzupassen. Es könnte sein, dass Sie das tun, damit der Nachbar das nächste Mal Ihnen ebenfalls hilft, oder weil Sie das Verhältnis zu den Nachbarn nicht belasten wollen. Sie wären dann extrinsisch motiviert. Sie könnten sich aber auch motivieren, indem Sie Ihr eigenes, vielleicht schon lange „verschüttetes“ Kind (Ihr Kindheits-Ich) aktivieren und mit den Kindern in einer Weise spielen, die Sie schon lange nicht mehr erlebt haben. Dadurch könnten in Ihnen längst vergessene Eigenschaften und Freuden geweckt werden. Wenn Ihnen das gelingt, sind Sie intrinsisch motiviert.

Die oben zitierten Untersuchungen haben gezeigt, dass die intrinsische Motivation verschwinden kann, wenn man extrinsisch motiviert wird. Wir müssen uns also davor hüten, Kindern, die ohnehin etwas gern tun, für diese Tätigkeit auch noch Belohnungen zu versprechen. Das Gleiche sollten wir aber auch beim Umgang mit uns selbst beachten. Es ist eine bewährte Methode der Selbstmotivation, dass man sich selbst motiviert, indem man sich ausmalt, welche Belohnungen man erwarten kann, wenn man die Tätigkeit, die man gerade ausführt, beendet hat. Versicherungsvertreter motivieren sich oft damit, dass sie sich am Ende eines erfolgreichen Besuches bei einem Kunden, dem sie eine Versicherung verkauft haben, ausrechnen, was ihnen dieser Abschluss gebracht hat. Dieses Vorgehen lenkt aber von einer möglicherweise vorhandenen intrinsischen Motivation ab. Es gibt dagegen andere Vertreter, die ihre Motivation aus den Gesprächen mit den Kunden ziehen, die gern mit den Kunden umgehen, für die der Verkaufsabschluss gleichsam ein „Nebeneffekt“ ist. Letztere sind eher intrinsisch motiviert und üben ihren Beruf lieber und – nach meinen Erfahrungen – mit mehr Erfolg aus.

Das eigene Interesse an der Tätigkeit zu wecken, die man ohnedies tun muss, ist daher ein „Trick“, mit dem man mehrere Vorteile erreichen kann. Dieses Interesse entsteht vor allem dann, wenn der Mensch ein Gefühl des selbstbestimmten und kompetenten Tuns entwickeln kann. Wir brauchen also ein Erlebnis der Selbstbestimmung und der Kompetenz. Wenn ich über wesentliche Elemente der Tätigkeit selbst entscheiden kann und wenn ich es so einrichten kann, dass vor allem die Aspekte einer Tätigkeit im Vordergrund stehen, die ich mit dem Bewusstsein der persönlichen Kompetenz verbinden kann, werde ich auch intrinsisch motiviert sein – im Idealfall selbst dann, wenn ich das, was ich tue, nicht freiwillig, sondern gezwungenermaßen tue.

Unter diesen Bedingungen nehmen Deci und Ryan[22] an, dass Menschen auch external vorgegebene Ziele sich zu eigen machen und dabei von einer externen zu einer internen Regulation von Motivation und Handeln wechseln können. Dann kann so etwas wie Begeisterung entstehen, denn „wenn ein Mensch nur das tut, was von ihm gefordert wird, dann ist er ein Sklave! – In dem Moment, in dem er mehr tut, ist er ein freier Mensch“ (John M. Tibane).

Intrinsische Motivation in neueren Studien

Auch neuere Studien haben gezeigt, dass eine interessante, herausfordernde Arbeit den primären Motivator bildet, auch wenn die Vorgesetzten jahrelang der Überzeugung waren, Motivation geschehe vor allem über Anerkennung. In einer ausführlichen Studie mit über 600 Managern unterschiedlichster Firmen und Branchen befragte Teresa Amabile[23]

1 vgl. Heckhausen & Kuhl, 1985; Kuhl, 1983
2 vgl. Heckhausen, 1989, S. 203ff.
3 Gollwitzer, Heckhausen & Steller, 1987. Es zeigte sich allerdings in einem Experiment von Beckmann und Kuhl (1984) auch, dass es hinsichtlich dieses Rubikon-Modells individuelle Unterschiede gibt (nur handlungsorientierte Gestalter zeigten die einseitige Beachtung der Informationen), auf die ich später eingehen werde.
4 Schmidt & Kleinbeck, 2004, S. 899ff
5 Schmidt & Kleinbeck, 2004, S. 908
6 Heckhausen, 1989
7 Mager, 1974
8 Es geht uns hier nicht primär darum, die einzelnen Phasen genau gegeneinander abzugrenzen. Die Unterscheidung zwischen der ersten und zweiten Phase des Handlungsmodells von Heckhausen wurde vor allem zur Gliederung der einzelnen Regeln verwendet. Die der ersten Phase zugeordneten Regeln haben viele Kennzeichen, aufgrund deren man sie auch der zweiten Phase zuordnen könnte.
9 Siehe Schweickarts Homepage: www.well.com/user/rs/index.html
10 Frayne & Latham, 1987 in Schmidt & Kleinbeck, 2004, S. 930ff.
11 DeShon & Alexander, 1996, in Schmidt & Kleinbeck, 2004, S. 923.
12 vgl. Zajonc, 1968.
13 Kuhl, 2001, S. 733.
14 Schmidt und Kleinbeck, 2004, S. 904.
15 vgl. Murphy & Cleveland, 1995; Schmidt und Kleinbeck, 2004, S. 924.
16 vgl. Blais et al., 1990; Brunstein, Dangelmayer & Schultheiß, 1960; nach Kuhl 2001, S. 223.
17 Kuhl, 2001, S. 177.
18 s. a. Fromm, 2009.
19 Csikszentmihalyi, 1992.
20 Kuhl, 2001, S. 595.
21 Kuhl, 2001, S. 98.
22 Deci & Ryan, 1991.
23 Amabile & Cramer, 2010.